Juristisches Update: Die Sechste NpSG-Änderungsverordnung
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Die Sechste Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) wurde im Bundesrat am 21.11.2025 beschlossen.
Diese muss nun im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, damit sie in Kraft tritt.
Einen Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt, gilt das Gesetz dann.
Wir prüfen jetzt täglich die Veröffentlichungen.
Mit der Verkündung ist innerhalb von 12 Tage nach der Bundesratsitzung zu rechnen.
Das wäre der 3.12.2025. Bei der letzten NpSG-Änderung waren es genau 12 Tage.
I. Der Regelungszweck: Kontinuierliche Gefahrenabwehr
Das Kernproblem, das diese Verordnung adressiert, ist die kontinuierliche Verbreitung und das Auftreten immer neuer chemischer Varianten von Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) auf dem Markt. Aufgrund der molekularen Komplexität und Strukturvielfalt werden neue Varianten dieser Stoffe mitunter nicht von den bestehenden Stoffgruppen des NpSG erfasst.
Ziel ist es, die Anlage des NpSG kontinuierlich fortzuschreiben, um alle Varianten zu erfassen, die nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine vergleichbare Gefährlichkeit aufweisen wie die bereits erfassten. Dies dient der Eindämmung des Missbrauchs und der Ermöglichung bzw. Erleichterung der Strafverfolgung.
II. Die Materiellen Änderungen im Detail (Neufassung der Anlage)
Die Verordnung führt eine umfassende Neufassung der Anlage des NpSG herbei, da die bestehenden sieben Stoffgruppen fortgeschrieben und zwei neue Stoffgruppen aufgenommen werden.
| Stoffgruppe | Kern-Änderung & Fokus |
| Bisherige 7 Stoffgruppen (Nummer 1-7) | Fortschreibung und Klarstellung. Die Grenzen der Definitionen wurden durch gezielte chemische Veränderungen am Drogenmarkt durchbrochen. Die Anpassung dient der Erweiterung um weitere marktrelevante, gesundheitsgefährdende NPS. Hierzu gehören u. a.: Fortentwicklung der Cannabimimetika (u.a. neue Kernstrukturen wie Indolizine, Chinolone), Aufnahme von LSD-Isomeren wie 1-S-LSD (in Tryptamin-Derivaten) und Erweiterung der Benzodiazepine. |
| Neue Stoffgruppe 8 | Von 3,3-Diphenylpropan-1-amin abgeleitete Verbindungen. Diese umfassen Derivate von Methadon und strukturell verwandte hochwirksame synthetische Opioid-Derivate. Diese Substanzen binden hochpotent am Opioidrezeptor und weisen ein erhebliches toxisches und suchterzeugendes Potenzial auf (u. a. kardiotoxische Eigenschaften, geringe therapeutische Breite). |
| Neue Stoffgruppe 9 | Von 4-Amino-1-benzylpiperidin abgeleitete Verbindungen. Hierzu zählen Derivate hochpotenter synthetischer Opioide, oft als “Orphine” bezeichnet (z. B. Spirochlorphin). Diese weisen eine ausgeprägte Atemdepressionsgefahr und ein hohes Abhängigkeitspotenzial auf. Sie gelten als potenzielle Nachfolger der “Nitazene”. |
Juristischer Hinweis: Die Neufassung der Anlage ist geboten, da die Fortschreibung der bisherigen Gruppen sowohl der Klarstellung bei der Auslegung dient als auch der Erweiterung um weitere gesundheitsgefährdende, marktrelevante Stoffe. Ein besonders relevantes Detail: Die Verordnung umfasst nun auch offenkettige Benzodiazepin-Prodrugs (Nummer 3.2), da diese im Körper sofort in starkwirksame Benzodiazepine umgewandelt werden.
III. Folgen für die Rechtsanwendung und die Betroffenen
Produkte die aus dem Sortiment verschwinden:
- 1S-LSD
- O-DSMT
- Methiodone (IC-26)
- SR-14968
- NB-DMT
Chemisch-Juristische Analyse der NpSG-Anlagenerweiterungen (BR-Drs. 534/25)
1. 💊 Stoffgruppe 3: Benzodiazepine (Zunahme der Komplexität)
Die Änderungen bei den Benzodiazepinen sind signifikant und betreffen sowohl die Grundstrukturen als auch deren Vorstufen:
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Neue Untergruppe (Prodrugs): Es wird die neue Nummer 3.2 “Offenkettige Benzodiazepin-Prodrugs” eingefügt. Diese Substanzen werden durch Wärme, saure pH-Werte oder im Körper sofort in starkwirksame Benzodiazepine umgewandelt.
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Neue Substituenten R8: Die Einführung des neuen Restes R8 dient der Erfassung wichtiger neuer psychoaktiver Benzodiazepinderivate wie Bretazenil und Rilmazolam sowie der strukturell verwandten Remimazolam-Struktur. Diese werden als problematisch mit erheblichem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial eingestuft.
2. 🌿 Stoffgruppe 2: Cannabimimetika / Synthetische Cannabinoide
Der modulare Aufbau dieser Gruppe wird massiv erweitert, um chemische Lücken zu schließen:
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Neue Kernstrukturen: Die Stoffgruppe wird um Kernstrukturen erweitert, die von Indolizin und Pyrrol abgeleitet sind. Zudem werden neue Strukturen wie anellierte Pyrazole, 2-Chinolone und Indolizine aufgenommen, da diese explizit zur Umgehung des NpSG entwickelt wurden.
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Neue Brückenstrukturen: Die Brückendefinitionen werden um die Oxaspirogruppe erweitert.
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Silizium-Derivate: Die Definition wird um die Angabe Silizium ergänzt, um bereits aufgetretene Derivate mit Siliziumatomen in der Seitenkette zu erfassen.
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THC-Prodrugs: Die Regelung zu den Chromen-Derivaten (Nummer 2.3) wird erweitert, um THCA-A und dessen Ester als Prodrugs von THC zu erfassen.
3. 🍄 Stoffgruppe 5: Von Tryptamin abgeleitete Verbindungen (LSD-Analoga)
Auch die Tryptamine erfahren eine gezielte Erweiterung zur Erfassung von LSD-Analoga:
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Silyl- und Estergruppen: Die Aufnahme von Trialkylsilyl-, Trifluormethyl- und Trifluormethoxy- Gruppen sowie von Carbonsäureesterschutzgruppen dient der Erfassung neu aufgetretener Abwandlungen.
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LSD-Isomere: Explizit wird die Einbeziehung von LSD-Isomeren wie 1-S-LSD genannt. Die chemische Modifikation hatte bisher eine Umgehung der gesetzlichen Regelung ermöglicht, was nun aus Gründen der Gefahrenabwehr unterbunden wird.
4. 💉 Stoffgruppe 7: Benzimidazol-Derivate (Nitazene)
Die bereits hochgefährliche Gruppe der Benzimidazol-Opioide (Nitazene) wird nachgeschärft:
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Erhöhung der Molekülmasse: Die maximale Molekülmasse wird auf 600 u angehoben, um neu aufgetretene Derivatstrukturen zu erfassen.
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Neue hochgefährliche Derivate: Durch die Erweiterung werden u. a. Ethylen-Homologe, alkylsubstituierte Benzimidazol-Opioide wie Etomethazen und halogensubstituierte Nitazenderivate (wie Fluoretonitazene) erfasst. Diese werden als toxikologisch akut lebensbedrohlich und extrem mu-Rezeptor-aktiv eingestuft.
5. 💉 Neue Opioide (Nummer 8 & 9) – Der wichtigste Zuwachs
Als Reaktion auf neue hochpotente synthetische Opioide, die die Lücken im NpSG ausnutzen, werden zwei neue Hauptstoffgruppen geschaffen:
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Nummer 8 (Methadon-Analoga): Umfasst Derivate von $\text{Methadon}$, die hochwirksame synthetische Opioid-Derivate darstellen und bis zu 100-mal stärker als Fentanyl am Opioidrezeptor binden können.
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Nummer 9 (Orphine): Erfasst Derivate der 4-Amino-1-benzylpiperidin-Grundstruktur, bekannt als “Orphine” (z. B. Spirochlorphin). Diese weisen eine extrem hohe Bindungsaffinität auf, weshalb eine Notfallbehandlung mit Naloxon möglicherweise nicht vollständig wirksam ist.
